Ride-Pooling

Moia  in Hannover, 

dem Tochterunternehmen der Volkswagen AG, ist die Genehmigung für den Gelegenheitsverkehr nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) zu verweigern.

Volkswagen präsentierte Ende April 2018 auf der Hannover Messe die vollelektrische Ausführung des Fahrzeugs
MOIA +6, der auf dem VW e-Crafter basiert und Platz für insgesamt sieben Personen, inklusive Fahrer, bietet.

Moia schließt mit dem neuen Mobilitätsangebot die Menschen mit Behinderungen aus.

Gemäß § 2 Absätze 6 und 7 des PBefG darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn öffentliche Verkehrsinteressen dem nicht entgegenstehen.
Nach Artikel 3 des Grundgesetzes
darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Solange Moia keine Fahrzeuge bereit hält die auch Menschen mit Behinderungen befördern, kann die Genehmigung nicht erteilt werden.

Die politischen Gremien sind aufgefordert, recht zeitnah die Forderung aus der UN-Behindertenrechtskonvention bezüglich der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auch im Verkehrsbereich einer rechtlichen Grundlage zuführen und die umfassende Barrierefreiheit auf den Gelegenheitsverkehr nach dem PBefG auszudehnen.

Wer zum derzeitigen Zeitpunkt der Meinung ist, dass ein barrierefreier Zugang zu diesem neuen Mobilitätsangebot entbehrlich ist, zeigt deutlich, dass er nicht daran interessiert ist die UN-Behinderten-rechtskonvention und das Benachteiligungsverbot des Artikels 3 des Grundgesetzes umzusetzen.

 

Begründung:

Die Kommunen suchen zu Recht nach Lösungen, die die Innenstädte von dem starken Autoverkehr und der damit einhergehenden Luftverschmutzung entlasten.

Und wenn sich mittels Sammelbeförderung, Verkehrsreduzierung und durch Elektrofahrzeuge das Umweltklima verbessern lässt, ist dies auch zu unterstützen.
Nur sollte man sich mangels eigener Kreativität und mit dem Scheuklappenblick auf „die Schwarze Null“, nicht auf das erst beste Angebot eines privaten Anbieters wie Moia stürzen.

Moia will mit seinem Mobilitätsangebot genau hier ansetzen wo die Kommunen nach Lösungen suchen und die Autofahrer als Kunden gewinnen, die auf ihr eigenes Auto verzichten.

Autofahrer, die ihr Auto stehen lassen, wollen ein vergleichbar passendes Angebot. Autofahrer wollen keine Busse nach Fahrplan, kein Hinlaufen zur Haltestelle und kein Mindestbedienungsstandard, der alle zwei Stunden eine Verbindung bereitstellt.

Autofahrer wollen einen Service, bei dem die Qualität nahe dem eigenen Auto liegt., Auch das herkömmliche Taxi ist mittlerweile in die Jahre gekommen und nicht mehr attraktiv.

Schon in der Testphase hat Moia einen immer größer werdenden Zulauf.

Das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung hat sich am 15.02.2018 im Landtag mittels der Drucksache 18/317 wie folgt zu Moia positioniert:
Aus der Sicht der Landesregierung ist die Entwicklung und Erprobung neuartiger Mobilitätsangebote, wie sie MOIA mit dem „on demand“- und „ridepooling“-Konzept verfolgt, zu begrüßen. Verkehrs-politisch besteht ein Interesse daran, dass das innovative Verkehrsangebot von MOIA, das mit Fahrzeugen aus dem VW-Werk in Hannover-Stöcken betrieben wird, nach einem erfolgreichen Verlauf der Erprobungsphase dauerhaft in der Landeshauptstadt Hannover erhalten bleibt.“              

Wie passt Moia in das PBefG?

Der Gesamtverband Verkehrsbetriebe Niedersachsen e.V. ist der Meinung, dass Moia einem Gelegenheitsverkehr mit Mietwagen anbietet, ohne sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten.

Das PBefG hat keine Antworten auf neue Mobilitätskonzepte.

Viele neue Formen – z.B. Ride-Pooling - sind Verkehrsangebote, die nicht eindeutig in das Raster des PBefG passen. Hier mischen sich die Typen einzelner Verkehre.

Normalerweise sind sie dann abzulehnen.

Durch § 2 des PBefG kommen jetzt aber die Flexibilitätsklausel und die Experimentierklausel ins Spiel.

Flexibilitätsklausel     (§ 2, Abs. 6 PBefG)

Anstelle einer sofortigen Ablehnung
- soll eine Genehmigung in der Gruppe erfolgen, der diesem Verkehrsangebot am Nächsten kommt
- soweit öffentliche Verkehrsinteressen nicht entgegenstehen

Genehmigungsdauer   PKW-Gelegenheitsverkehr  
=   für 5 Jahre

 

Experimentierklausel (§ 2, Abs. 7 PBefG)

Für eine Erprobungsphase kann eine Genehmigung von bis zu 4 Jahren erteilt werden, ohne dass die Vorschriften des PBefG eingehalten werden müssen

- soweit öffentliche Verkehrsinteressen nicht entgegenstehen

Die Genehmigungen liegen im Ermessen der Genehmigungsbehörde. Und diese müsste die Ablehnung vornehmen, weil nicht mit Artikel 3 des Grundgesetzes vereinbar.


Und wo befindet sich Moia jetzt?

Zur Zeit in der Testphase
Es sollten Erfahrungen auf den Gebieten Bestellung und Bezahlung per App, rechnergestützte Fahrtrouten, Bündelung von Fahrinteressen, Kundenzufriedenheit, … gesammelt werden. Für die derzeit laufende Testphase des Projekts greift jedoch die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Nr. 1, 2. Variante PBefG, wonach dann keine personenförderungsrechtliche Genehmigungspflicht besteht, wenn das Gesamtentgelt die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigt.

Beantragt wurde für die nächsten vier Jahre die Erprobungsphase.

Dann besteht noch für die Dauer von fünf Jahren die Genehmigung nach der Flexibilitätsklausel.

Nach neun Jahren kann man davon ausgehen, dass Moia einen privaten Shuttle-Service installiert hat, der Menschen mit Behinderungen ausschließt!

 

Wie kann Barrierefreiheit erreicht werden?

Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert die gleichberechtigte Teilhabe. Allerdings ist das Recht aus der UN-Konvention nicht einklagbar. Die UN-Konvention sagt, dass das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe in den jeweiligen Gesetzen des Landes verankert werden muss.

Hier im PBefG, das aber lediglich die Barrierefreiheit für den ÖPNV, nicht jedoch für Taxen und Mietwagen und schon gar nicht für Ride-Pooling vorschreibt.

Langfristig müssen im PBefG die Forderungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention mit aufgenommen werden.

 

Kurzfristig:

Neue Mobilitätsangebote müssen im Bereich des Öffentlichen Nahverkehrs entwickelt werden.

Neue nachfragegesteuerte Angebote privater Shuttle-Service-Anbieter müssen in den Bereich des ÖPNV geholt werden.

Hier ist die Einflussmöglichkeit für eine barrierefreie Ausgestaltung recht groß.

Mit den bereits bestehenden Angeboten wie Taxi-Bus, Anrufsammeltaxen, Rufbus, … sind neue Mobilitätskonzepte zu entwickeln.

Es muss ein ausreichendes Angebot an barrierefreien Fahrzeugen geben, die auch Elektrorollstühle und Kinderwagen problemlos befördern können. Die Anzahl der Fahrzeuge müssen so bemessen sein, dass unzumutbare Wartezeiten für Menschen mit Behinderungen vermieden werden.

Die Fahrzeuge sind so auszustatten, dass sie schnell und unkompliziert für den Transport eines Fahrgastes im Rollstuhl umgerüstet werden können.

Die DIN 75078 ist zu beachten.

 

Entsprechende Vorgaben auf Landesebene gibt es bereits:

Broschüre
Ziele und Maßnahmen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Niedersachsen – vorgelegt von der Fachkommission Inklusion – Sept. 2016

7. Mobilität

Ziel:   Die Barrierefreiheit bei Mietwagen und Taxen ist verbessert

Maßnahme Nr.:
II.7.18         Auf ein ausreichendes Angebot an barrierefreien Taxen/Mietwagen wird
hingewirkt.

Anmerkungen:
Barrierefreiheit muss ein Aspekt bei den jeweiligen Neuverhandlungen über
 Beförderungsentgelte und Beförderungsbedingungen sein. Unzumutbare
Wartezeiten für Menschen mit Behinderungen sollen vermieden werden.

Es muss nun endlich mit der Umsetzung begonnen werden.

Bei bestehenden Angeboten sind 10 % der Fahrzeuge für die Nutzung von Menschen mit Behinderungen vorzuhalten. Durch den Ersatz der Fahrzeuge ist die Quote ständig zu erhöhen.

Bei neuen Angeboten mit einer neuen Fahrzeugflotte müssen gleich alle neuangeschafften Fahrzeuge barrierefrei sein.

Über eine mögliche Bezuschussung der barrierefreien Fahrzeuge durch die Städte, die Regionen und/oder das Land ist eine verlässliche Regelung zu schaffen.


 

 

Quellen:
die bei der Erstellung dieses Konzeptes verwendet wurden

  • Interview Robert Heinrich, Geschäftsführer von Moia, GetMobility.de, März 2018

  • VDV – Neue Mobilitätsgebiete – Februar 2018

  • Nds. Ministerium für … Verkehr …, Drucksache 18/317 – Februar 2018

  • Hallo Taxi 3811 – Pressemitteilung vom 09. März 2018

  • Medieninformation Gesamtverband Verkehrsbetriebe Niedersachsen e.V. – März 2018