Gedanken von Ulrich Oestmann

Im Duden steht, dass "die Barriere"  ein Wort aus dem französischen ist und <Schranke, Sperre> bedeutet.
Eine Zeile weiter ist im Duden die Erklärung für "Barrikade" angegeben: Sperre, Hindernis.

Ich ertappe mich selber immer wieder, dass ich bei den Überlegungen zur Barrierefreiheit eine Schranke, eine Sperre im Kopf habe.

Es gibt so viele Gesetze und Verordnungen, die auf die Barrierefriheit hinweisen. Das beginnt mit UN-Konventionen und geht über das Grundgesetz, das Behinderten-Gleichstellungsgesetz bis hinunter in die kommunalen Ebenen. Noch mehr Begriffserklärungen und Auslegungen gibt es hierzu.

Doch was nützt das in der praktischen Umsetzung, wenn ich nicht die Sperre, die Schranke in meinem Kopf gelöst bekomme?
Wenn ich Barrierefreiheit wirklich will, dann muss ich den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Dann muss ich in meine Überlegungen, Planungen und Umsetzungen die Schwächsten unserer Gesellschaft mit einbeziehen.  

Wenn ich Barrierefreiheit wirklich will, dann muss ich diese Menschen in den Focus stellen.

Dann müssen sich andere Interessen wie Denkmalschutz, schöne städtebauliche Ansichten, tolles Disign, der neuste Trend, aber auch zu hohe Kosten usw., der Barrierfreiheit unterordnen. Sie verschwinden damit nicht! Ich muss nur die Sperre, die Schranke in meinem Kopf lösen und überlegen, wie ich die Barrierefreiheit und den Denkmalschutz, das tolle Disign und den neuesten Trend vereinen kann. Ob es sich nicht später doch auszahlt, wenn ich am Anfang etwas mehr Geld für die Barrierefreiheit in die Hand nehme?

Natürlich habe ich auch gemerkt, dass ich beim Aubbau von Hindernissen für behinderte Menschen, Hindernisse für nicht behinderte Menschen aufbebaut habe. Bei diesen Überlegungen und Planungen ist man ständig im Zielkonflikt.
Aber kann ich dem nicht behinderten Menschen nicht zumuten, wenn er dazu in der Lage ist, das für ihn nun neue Hindernis zu umgehen? Ist es nicht zumutbar, das eigene Empfinden im Interesse der Barrierfreiheit in den Hintergrund zu stellen. 

Ich meine Ja!

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Barrierefreiheit in den öffentlichen Nahverkehrsmitteln

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit alle Fahrgäste die Busse und Bahnen selbständig und ohne fremde Hilfe nutzen können?

Welche Zielkonflikte müssen gelöst werden?

Hier einige Schlagwörter und Hinweise. Die jeweiligen Details werden in den weiteren Rubriken erklärt.

Menschen im Rollstuhl

  • genügend Platz beim Zugang zur Haltestelle
  • keine Hindernisse im Bereich der Haltestelle
  • keine Stufen beim Ein- und Ausstieg in die Fahrzeuge bedingen hohe Bordsteine an den Bushaltestellen und Bahnsteige für alle Schienenfahrzeuge
  • Schräge / Rampe ab einer Stufenhöhe von 3 cm
  • Aufzüge in der U-Bahnstation und evtl. beim Zugang zu den Bahnsteigen in Bahnhöfen
  • mehr Platz im Fahrzeug und an der Haltestelle
  • Informationen auf Augenhöhe des Menschen im Rollstuhl
  • Bedienelemente in einer Höhe von ca. 85 cm
  • schriftliche Informationen auf einer Höhe von 1,20 m

Zielkonflikt:   Durch den bedingten Mehrplatz im Fahrzeug fallen Sitzplätze weg. Der begrenzte Platz muss mit Kinderwagen und Rollatoren geteilt werden.
Über eine Gewichtung bei der Mitnahme von Fahrrädern muss in diesem Zusammenhang entschieden werden.

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ältere Menschen

  • kurze Wege zur Haltestelle
  • Sitzplätze an der Haltestelle und im Fahrzeug
  • Handläufe an Treppen und Rampen

Zielkonflikt:   Durch den Bedarf an Sitzplätzen verringert sich der Raum für Rollstühle, Kinderwagen, Rollatoren im Fahrzeug.

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gebehinderte Menschen / mit Rollator

  • kurze Wege zur Haltestelle
  • genügend Platz beim Zugang zur Haltestelle
  • keine Hindernisse im Bereich der Haltestelle
  • keine Stufen beim Ein- und Ausstieg in die Fahrzeuge bedingen hohe Bordsteine an den Bushaltestellen und Bahnsteige für alle Schienenfahrzeuge
  • Aufzüge in den U-Bahnstationen und evtl. bei den Zugägngen zu den Bahnsteigen in Bahnhöfen
  • Sitzplätze mit Armlehnen an der Haltestelle und im Fahrzeuge
  • Sitzplätze im Fahrzeug in unmittelbarer Nähe der Tür
  • sichere und erreichbare Möglichkeiten zum Festhalten
  • Bedienelemente im Fahrzeug in Reichweite des Sitzplatzes

Zielkonflikt: Durch den Bedarf an Sitzplätzen verringert sich der Raum für Rollstühle, Kinderwagen, Rollatoren im Fahrzeuges

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sehbehinderte Menschen

  • starke Kontraste
  • an der Haltestelle und bei den Aufbauten
  • bei den schriftlichen Informationen
  • auf dem Fahrzeugboden (Tür-, Gang-, Sitz- und Ausstiegsbereich)
  • bei der Innenausstattung
  • bei den Bedienelementen
  • bei den Anzeigetafeln
    .
  • blendfreie Anzeigen
  • gut hörbare Ansagen an Haltestellen und im Fahrzeug
  • akkustische Informationen bei Störungen im Betriebsablauf
  • blendfreie und helle Ausleuchtung 

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blinde Menschen

  • Leitsysteme (Auffangstreifen, Leitstreifen und Aufmerksamkeitsfelder) an Haltestellen und auf Bahnsteigen
  • zur Orientierung gleiche, wiederkehrende Innenausstattung innerhalb der Fahrzeuge
  • unterschiedliche Haltestangen (geriffelt, nicht geriffelt) zur Orientierung innerhalb des Fahrzeugs 
  • Informationen über Gefahrenstellen an der Unterseite der Handläufe

hörbehinderte Menschen

gehörlose Menschen

kleinwüchsige Menschen

Menschen mit Lernschwäche

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demenzkranke Menschen

für diese Fahrgäste haben wir noch keine Lösung erarbeitet

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Menschen mit Kinderwagen

  • genügend Platz beim Zugang zur Haltestelle
  • keine Hindernisse im Bereich der Haltestelle
  • keine Stufen beim Ein- und Ausstieg in die Fahrzeuge
  • Aufzüge in der U-Bahnstation und evtl. beim Zugang zu den Bahnsteigen in Bahnhöfen
  • mehr Platz im Fahrzeug und an der Haltestelle

Zielkonflikt: Durch den bedingten Mehrplatz im Fahrzeug fallen Sitzplätze weg. Der begrenzte Platz muss mit Rollstühlen und Rollatoren geteilt werden.

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Menschen mit Fahrrad

  • genügend Platz in den Fahrzeugen
  • Aufzüge in den U-Bahnstationen und evtl. bei den Zugängen zu den Bahnsteigen in Bahnhöfen

Zielkonflikt: Durch den bedingten Mehrplatz im Fahrzeug fallen Sitzplätze weg. Der begrenzte Platz muss mit Rollstühlen, Kinderwagen und Rollatoren geteilt werden.
Über eine Gewichtung bei der Mitnahme von Fahrrädern muss in diesem Zusammenhang entschieden werden.
(In Berlin müssen die Fahrgäste mit Fahrrädern den Bus verlassen, wenn der Platz für Rollstühle, Kinderwagen oder Rollatoren benötigt wird.)

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Menschen mit schwerem Gepäck

  • keine Stufen beim Ein- und Ausstieg
  • genügend Platz in den Fahrzeugen
  • Aufzüge in den U-Bahnstationen und evtl. bei den Zugängen zu den Bahnsteigen in Bahnhöfen

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Menschen mit kurzzeitigen Erkrankungen

  • sie profitieren auch von den verschiedenen Kriterien der Barrierefreiheit

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Und letztendlich kann man sagen:

Alle Fahrgäste profitieren von den Maßnahmen der Barrierfreiheit.